20 Jahre Bereitschaftsleiter Markus Schmid
Seit nun mehr 20 Jahren ist Markus Schmid Bereitschaftsleiter der BRK-Bereitschaft Freising. Wir haben uns mit Ihm zum Interview getroffen, um über die letzten 20 Jahre Rettungsdienst, Rotes Kreuz und seiner Tätigkeit als Bereitschaftsleiter zu reden.
Markus Schmid, 47 Jahre alt, ist Diplom-Physiker und Lehrer für Mathematik und Physik an einer Münchner Fach- und Berufsoberschule. Aber er ist auch seit 20 Jahren Bereitschaftsleiter der BRK-Bereitschaft Freising. Ein untypisch langer Zeitraum für einen Bereitschaftsleiter und ein enormer zeitlicher Aufwand für eine ehrenamtliche, unvergütete Tätigkeit in einer großen Bereitschaft wie der Freisinger. Wir haben uns mit Markus zu seinem 20-jährigen Jubiläum getroffen und mit ihm über seine Zeit in der Bereitschaft geredet.
Wie bist du zum BRK gekommen?
Markus Schmid: Als Wehrdienstverweigerer brauchte ich natürlich eine Zivildienststelle. Da ich aber mit der Suche schon etwas spät dran war, gab es viele Stellen nicht mehr. Als ich dann erfuhr, dass man sich für acht Jahre beim Roten Kreuz verpflichten kann und ich direkt im Oktober mein Studium beginnen kann, habe ich mich für das BRK entschieden. Eine nette Anekdote: Meinen ersten Dienstabend hatte ich an einem Freitag den 13. im Mai 1994, zum Glück war das kein schlechtes Omen. Die Gemeinschaft und die Kameradschaft im Roten Kreuz hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich bald sehr viel meiner Freizeit in der Bereitschaft verbracht habe. Erst auf Dienstabenden, nach meinem Sanitätskurs 1995 dann im Sanitätsdienst und ab 1996 im Rettungsdienst, leider oft auch zum Leidwesen meines Studiums. Als ich dann 1998 meinen Rettungssanitäter abschloss, begann am Tag danach auch schon meine erste Schicht als RTW-Fahrer, was ich seitdem immer noch mache. Eigentlich jede Woche eine Schicht, oft sogar noch mehr.
Was hat dich dazu bewogen, dich 2001 zum Bereitschaftsleiter wählen zu lassen?
Markus Schmid: (lacht) Viele Leute. Unter anderem die Überredungskunst meiner Vorgängerin Gerda Thalhammer und etlicher anderer Leute und mein damaliger Bereitschaftsleiterkollege Olf Schukai, mit dem ich mir gut vorstellen konnte, das zu übernehmen, allein hätte ich es nicht gemacht. Und ich hätte nie gedacht, dass ich das über 20 Jahre mache!
Was war das Schönste was du im Roten Kreuz erlebt hast?
Markus Schmid: Puh, keine Ahnung. Es gibt so viele Sachen… Wenn ich es auf eine Sache festmachen muss, dann vielleicht die Reanimation eines Ertrunkenen am Plus-Festival am Vöttinger Weiher, die Erfolg hatte, denn der Patient überlebte den Vorfall ohne bleibende Schäden. Ohne den Sanitätsdienst und Wasserwacht vor Ort wäre das wahrscheinlich anders ausgegangen.
Was ich immer toll finde, ist wenn wir einen Zustrom an Leuten haben. (zeigt auf Whiteboard hinter sich mit Interessenten) Allein das ist ja ein Zeichen von Anerkennung, dass sich Leute für uns interessieren und bei uns mitmachen wollen, und das macht mir jeden Tag Freude.
Auch die regelmäßigen Gemeinschaftsaktivitäten wie miteinander „weggehen“, Schlauchboot fahren oder auf die Hüttenausflüge sind immer wieder schön. Mittlerweile ist fast mein ganzer Freundeskreis hier im Roten Kreuz und ich könnte mir ein Leben ohne Kreuz gar nicht mehr vorstellen.
Was war das prägendste Erlebnis im Roten Kreuz?
Markus Schmid: Ein einzelnes gibt es da nicht. Natürlich gibt es in 23 Jahren Rettungsdienst viele Einsätze, die sich „eingebrannt“ haben. Als erstes kommt mir ein Einsatz in den Kopf: Wir waren auf „Plötzlichen Kindstod“ alarmiert. Niemand im Rettungsdienst mag Notfälle mit Kindern und Kindertod natürlich gleich gar nicht. Auf jeden Fall waren wir dann vor Ort und haben eine EKG-Ableitung geschrieben. Dem Kind war leider nicht mehr zu helfen, die Leichenstarre hatte schon einsetzt. Nachdem wir die „Null-Ableitung“ [keine Herzaktivität messbar] geschrieben hatten, zog ich die EKG-Elektroden wieder vom leblosen Körper des Säuglings und dieses Abziehen hat sich bis heute tief in meinen Kopf gebrannt. Der Amoklauf an der Wirtschaftsschule in Freising war auch sehr prägend oder zum Beispiel die Mutter eines Bekannten, die im Sterben lag. Wenn man die Leute selber kennt, ist das nie gut. Und ein letzter Einsatz: Wir waren auf einem schweren Verkehrsunfall auf der B301 bei Attenkirchen bei dem eine Mutter noch an der Einsatzstelle verstarb und die unverletzte Tochter, ca. 6 oder 7 Jahre alt, war bei uns im Auto. Das war nicht leicht.
Jetzt wieder zu einem schöneren Thema: Markus, du bist in der Bereitschaft bekannt für deine Katzenliebe, woher kommt diese?
Markus Schmid: Haha, ja das weiß ich auch nicht so genau. Als Kind verbrachte ich einen großen Teil meiner Zeit auf dem Bauernhof meiner Tante. Dort hatte ich natürlich viel mit Tieren und natürlich auch mit Katzen zu tun.
Und warum hast du selbst keine Katzen?
Markus Schmid: Ja das fragen mich viele. In meiner aktuellen Wohnung möchte ich keine Katze halten, da ich eine Katze eigentlich nicht einsperren möchte, andererseits würde ich sie auch nicht rauslassen, weil ich in der Nähe einer vielbefahrenen Straße wohne, und da hätte ich dann Angst. Und außerdem bin ich oft nicht daheim, das find ich nicht gut für ein Tier.
Was machst du, wenn du nicht im BRK bist?
Markus Schmid: Ich bin sehr oft an der „Stoiber“ [Stoibermühle, Badesee zwischen Marzling und Freising]. Ich mag es auch einfach mal auf der Couch zu liegen und rein gar nichts zu machen, auch das muss mal sein. Ich lese gern Bücher, besonders Wissenschaftsbücher und Physikbücher aus dem Bereich Astrophysik. Außerdem schaue ich gerne Dokus, natürlich auch viel im Bereich der Astrophysik und auch die volle Bandbreite von Filmen von Star Wars über Harry Potter zu alten Western. Früher bin ich auch viel gereist, besonders durch die USA, aber jetzt zieht es mich schon länger nicht mehr aus Freising raus, ist ja schön hier und an der Stoiber ist es noch schöner. Wo ich durchaus nochmal hinwollen würde, wäre Irland, das war schön dort.
Markus, du bist seit über 23 Jahren als Rettungssanitäter im Rettungsdienst, was hat sich im Rettungsdienst verändert?
Markus Schmid: Alles! Und wenn ich böse bin, würde ich sagen, nur die Sachen, die sich ändern sollten, nicht. Aber beim Equipment angefangen, ist alles heute viel moderner als damals. Allein die Rettungswägen sind nicht mit früher zu vergleichen und auch die gehobenen Ausbildungen mit Notfallsanitäter haben viele Besserungen gebracht. Was man natürlich merkt, dass die Einsatzzahlen deutlich gestiegen sind und auch die, ich sag mal, Qualität der Einsätze hat sich geändert. Heutzutage rufen die Leute viel früher den Rettungsdienst, oft halt auch wegen Kleinigkeiten, die man locker auch selbst ohne Rettungsdienst bewältigen könnte. Und auch die Aggressivität hat zugenommen. Wenn ich an die ersten Jahre denke, hat es sowas gar nicht gegeben, dass Patienten uns bedroht haben. Ich erinnere mich an einen Einsatz, wo wir zufällig fast am gleichen Ort einen Einsatz hatten, an dem auch der andere Freisinger Rettungswagen im Einsatz war. Dort haben wir gesehen, dass ein Mann auf unsere zwei Kollegen vor Ort eingeschlagen hatte. Ich habe mir dann zur Abschreckung das Brecheisen vom Rettungswagen geschnappt und nachdem wir dann zu viert waren, konnten wir den Angreifer zur Aufgabe bewegen und schließlich an die Polizei übergeben.
Und was hat sich im Roten Kreuz allgemein geändert?
Markus Schmid: Da hat sich eigentlich nicht so viel geändert. Wir sind natürlich viel mehr Leute in der Bereitschaft, aber an der Grundmotivation der Leute hat sich nichts verändert. Eintagsfliegen gabs schon immer, aber viele bleiben teilweise auch über Jahrzehnte, engagieren sich hunderte von Stunden pro Jahr. Das erfüllt mich dann immer mit Freude.
Wenn du jetzt drei Wünsche für das Rote Kreuz hättest, welche wären es?
Markus Schmid: Ach, ich bin jetzt auch immer gut ohne Wünsche ausgekommen, aber wenn ich sie nehmen müsste, wäre es wahrscheinlich:
- Etwas mehr Harmonie an den richtigen Stellen
- Mehr Eigenständigkeit im Roten Kreuz
- Weniger Bürokratie und Papierkram und mehr eigentliche Arbeit
Wie viel Zeit nimmt deine Tätigkeit als Bereitschaftsleiter so in Anspruch?
Markus Schmid: Boah, zu viel! Also da könnte man bestimmt eine Teilzeitkraft anstellen für alles. Besonders wenn viele Sanitätsdienste sind, ist es locker ein 40-Stunden Job. Und das ist ja nicht nur die viele Arbeit hier im Büro, sondern auch das, was die Leute nicht sehen, wenn ich daheim am PC Sachen erledige oder etwas vorbereite. Und es passiert ja auch so viel im Hintergrund, was ja eigentlich keiner mitbekommt. Also das frisst schon sehr viel Zeit.
Jetzt mit dem Wissen der letzten 20 Jahre, würdest du wieder die Bereitschaftsleitung übernehmen?
Markus Schmid: Ja doch, schon. Es gibt zwar immer wieder viele frustrierende Dinge, die nerven, aber das Positive überwiegt und solange das der Fall ist, mach ich auch gern weiter.
Das Interview führten Florian Strömsdörfer und Paul Eisenmann.